Der Geschichte auf der Spur

 

Hans Müller

 

1927-2010

 

Dritte Müller-Generation

 

 

Vordenker moderner Mitarbeiterführung

 

Hans Müller legt in seiner Amtszeit sein Augenmerk auf die verantwortungsvolle, menschenzentrierte Unternehmensführung. Er ist sich des Wertes der Mitarbeitenden bewusst. Denn sie sind es, die täglich Qualitätsarbeit leisten und die Marke Müller nach aussen tragen. Er verankert seine Maxime «Der Mensch im Mittelpunkt – auch im Geschäftsleben» in der Unternehmenskultur, was heute noch spürbar ist und Gültigkeit hat.

Sind es in der zweiten Müller-Generation die Brüder Ernst und Karl Müller, die zusammen das Familienunternehmen führen, so sind es in der dritten Müller-Generation die Brüder Ruedi und Hans. Die Brüderpaare haben sich in beiden Generationen gut aufeinander eingestellt und ziehen gemeinsam an einem Strick. Die Rollenverteilungen sind dabei klar geregelt, was einer der Erfolgsgaranten der zielgerichteten Arbeit ist. Als sich Ruedi Müller 1985 nach 40 Dienstjahren aus dem operativen Geschäft zurückzieht, stellt Hans in seiner Abschiedsrede an seinen Bruder klar: «Ruedi und ich haben immer ausgezeichnet harmoniert, auch wenn wir grundsätzlich verschieden sind».

 

BLICK IN DEN STAMMBAUM

Ernst und Lydia Müller-Schärer bringen vier Kinder zur Welt.

Hier eine kleine Einordnung, welche Spuren sie in der Unternehmensgeschichte hinterlassen haben.

  • Zuerst erblickt Tochter Lisbeth die Welt. Sie heiratet Felix Richard. Er ist ETH-Professor im Bereich Forst- und Landwirtschaft und engagiert sich von 1959 bis 1984 während 26 Jahren im Verwaltungsrat des Müller-Familienbetriebes.
  • Auch das zweite Kind von Ernst und Lydia ist eine Tochter. Elsi heiratet Anton Maier. Die beiden wandern in die USA aus und bauen dort das Unternehmen Maier Overseas auf, das fortan das USA-Geschäft der Müller AG Verpackungen befeuert, zu Beginn mit Aufträgen für Sandoz.
  • Als drittes und viertes Kind kommen die Brüder Ruedi und Hans zur Welt. Sie prägen die Geschichte der dritte Müller-Generation und machen daraus eine Erfolgsgeschichte, wie auf diesen Jubiläumssonderseiten nachzulesen ist.

Aber beginnen wir der Reihe nach: Hans Ulrich Müller wird 1927 in Basel geboren. Er absolviert eine Mechanikerlehre. Als 20-Jähriger ist noch kein Platz für ihn in der Firma, also besucht er eine Handelsschule und bewirbt sich ausserhalb der Familienfirma um eine Stelle. Nach dem frühen Tod seines Onkels Karl tritt er 1950 in die Ernst Müller AG Blechwarenfabrik ein. So beginnt eine 42 Jahre dauernden Brüderdynastie, während der das Verpackungsunternehmen äusserst erfolgreich ausgebaut wird. Zu Beginn sind die Brüder jedoch noch zu jung und unerfahren, um die Geschicke der Firma alleine leiten zu können. So ist es Paul Hof, der die beiden Brüder an die Unternehmensleitung heranführt.

 

GESCHICHTLICHE PARALLELEN

Früher als geplant, nach dem Tod seines Vaters Ernst und nach dem Tod seines Onkels Karl, kommt Hans also in den Familienbetrieb, in dem sein Bruder Ruedi bereits seit fünf Jahren immer wieder aushilfsweise mitarbeitet.

Was den Zeitpunkt des Eintrittes betrifft, besteht eine Parallele mit der Geschichte ihres Vaters Ernst. Auch er musste 1901, nach dem Tod seines Bruders Rudolf, früher in den Familienbetrieb eintreten als geplant.

Hans ist eine extrovertierte Person, kommt rasch mit Menschen ins Gespräch, sein gewinnendes Lachen macht ihn zu einem sympathischen Zeitgenossen. Diese Charaktereigenschaften eignen sich vorzüglich, um Kunden zu gewinnen und zu betreuen.

Hans übernimmt deshalb die verwaiste Verkaufsleitung. Bevor er sich an die grossen Kunden wagt, besucht er die kleinen Abnehmer von Müller-Emballagen und gewinnt dort rasch an Sicherheit. Der Verkaufserfolg des Naturtalentes stellt sich zügig ein. Sukzessive nimmt er mit seinem älteren Bruder Ruedi nun die Zügel des Familienbetriebes in die Hand. Ein stetiger Ausbau des Kernbetriebes, auch Beteiligungen oder Übernahmen folgen, was im Monatsfenster Juli detailliert betrachtet wird.

1952 heiratet Hans Müller seine grosse Liebe Lislot Senn. Aus der Verbindung kommen Peter, Pia und Marlise hervor. In der Familie herrscht meistens gute Stimmung. Und wenn in ganz seltenen Fällen keine gute Stimmung ist, wird darüber gelacht. Vater Hans hat viel Freude an seinen drei Kindern, die in einem schönen Familienhaus in Reinach aufwachsen.

  • 1957. Hans Müller (30) mit Frau Lislot und Sohnemann Peter

  • 1971. Hans Müller hoch zu Berg auf allen Gipfeln

  • 1987. Hans Müller feiert seinen 60. Geburtstag

Früh befasst sich Hans Müller mit dem Thema der Unternehmensführung und mit dem Stellenwert der Menschen im Betrieb. Er besucht Managementkurse. Vor allem die Kurse zum Thema Personalführung inspirieren ihn. Denn für Hans Müller ist auch im Geschäftsleben wichtig, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Er verankert diese Maxime in der Unternehmenskultur und lebt dies auch aktiv vor. Als Patron ist er im Betrieb spür- und greifbar. Die Pflege der Mitarbeitenden ist ihm eine Herzensangelegenheit. Hans Müller hat jederzeit ein offenes Ohr für die Sorgen der Leute. Er ist eine Vertrauensperson, der sich Menschen gerne öffnen – auch im Wissen, dass Hans die Dinge gut für sich behalten kann.

Es kommt mitunter vor, dass Bruder Ruedi in der Sache zu forsch vorgeht und die Leute vor den Kopf stösst. Hans glättet dann mit seiner vermittelnden Art und einer Prise Humor die Wogen, beruhigt Ruedi und holt die Leute wieder ins Boot. Wohl auch in den Erfa-Sitzungen mit den Mitbewerbern. Über lange Zeit hinweg agieren vier Firmen auf dem regionalen Emballagen-Markt auf. Die Firmen Gempp & Unold AG in Basel, Stebler-Saner in Nunningen, BMW in Muttenz sowie die Ernst Müller AG Blechwarenfabrik. In regelmässigen Meetings tauschen sich die Geschäftsleitungen der vier Unternehmen über die konjunkturelle Lage, aktuelle Herausforderungen, über die politischen Veränderungen in Europa und über mögliche Kooperationen oder über Produkte und Produktionsprobleme aus. Es werden auch Handlungsoptionen diskutiert.

 

  • Beispiel 1957: ein Gemeinsamer Europäischer Markt ist am Entstehen. Als Nicht-Mitglied einer solchen Gemeinschaft sind die Schweizer Firmen mit einem Zollabbau innerhalb Europas und damit mit Preisproblemen beim Export konfrontiert. Was für Optionen gibt es für die vier Unternehmen?
  • Beispiel 1970: die Fusion Ciba mit Geigy verändert die Marktsituation. Wie können die vier Unternehmen darauf reagieren?
  • Beispiel 1974: bei den Einspritzdichtungen bei den Gebinden ist die Gasdurchlässigkeit zu gross. Sollen die vier Unternehmen PU-Zweikomponenteneinspritzungen einführen?

 

1970. Die Fusion zur Ciba-Geigy verschärft die Konkurrenzsituation auf dem Schweizer Emballagen-Markt

 

Die Führungskräfte der vier Unternehmen sind oft nicht gleicher Meinung, was ab und an in Streit mündet. In diesen hitzigen Debatten versteht es Hans Müller, kühlen Kopf zu bewahren, mit ruhigen Argumentationen zu punkten und mit einem Spruch zum richtigen Zeitpunkt die Situation aufzulockern.

In seiner Abschiedsrede anlässlich seiner Pensionierung im 1992 bringt Hans Müller seinen menschenzentrierten Führungsansatz nochmals sehr präzise auf den Punkt: «Mein grösster Wunsch ist, dass der Faktor Mensch auch in Zukunft nicht vor lauter Erfolg vergessen wird. Mindestens während eines Drittels unseres Lebens stellen wir den Mann oder die Frau am Arbeitsplatz. Dabei sollten wir doch auch noch Zeit finden, den Kontakt zum Mitmenschen mit einer netten Geste oder einem guten Wort zu pflegen».

Zu seinen zahlreichen Hobbys zählt der Tennissport, bei dem er sich in den späten 1970er-Jahren schwer verletzt: die linke Achillessehne reisst. Er liegt in der Folge dreizehn Wochen im Spital, was übrigens der einzige Arbeitsausfall in seiner Berufskarriere ist.

Hans Müller bereist alle Kontinente, ist ein begeisterter Wanderer und hat im Wallis auch schon einen Viertausender bestiegen. Aber auch im Garten legt er Hand an und bringt er sich ein – zur Freude von seiner Frau Lislot.

Bis 1997 bleibt Hans Müller noch im Verwaltungsrat aktiv. Dann zieht er sich zurück, ohne das Interesse an den Menschen in der Müller Group zu verlieren. 2010 stirbt Hans Müller in seinem 83. Lebensjahr.