Monatsgespräch

 

Christian Reinau

 

CEO Müller Group

 

2000 Eintritt als Projektbeauftragter Controlling
2005-2017 CFO Müller Group
2017-2019 Stv. CEO Müller Group
Seit 2019 CEO Müller Group
 

 

 

Wir möchten ein «gesundes Unternehmen» sein und bleiben

 

Das Jubiläumsjahr von Müller Packaging neigt sich dem Ende zu. Den Schlusspunkt in der Serie der Monatsgespräche setzt der CEO der Müller Group, Christian Reinau (55). Im Interview spricht er über Digitalisierung und Nachhaltigkeit und über das Joint Venture in Indien. Und er sieht bemerkenswerte Parallelen zwischen der Basler Fasnacht und der Müller Group.

 

 

Herr Reinau. Beginnen wir mit der Basler Fasnacht. Sie sind aktiver Fasnächtler in einer Clique. Es erstaunt immer wieder, wie viel Investitionen geistiger und materieller Art auf die drei Fasnachtstage hin geleistet werden. Gibt es Parallelen zur Müller Group?

Ich kann durchaus Parallelen ziehen. In der Müller Group und in der Fasnachts-Clique nehmen wir aktuelle Themen auf, hinterfragen sie und setzen sie um. An beiden Orten versuchen wir immer wieder auch Neues, lernen und gehen mitunter auch visionär neue Wege. In beiden Organisationen müssen wir das Handwerk beherrschen, zusammenarbeiten und die Ziele gemeinsam erreichen. Ob Müller Group oder Basler Fasnacht: Ohne Fleiss kein Preis. Und neben der vielen Arbeit, die geleistet wird, sind es die Erlebnisse in der Gruppe, die geschätzt werden.

 

Sie sind ein Finanzprofi. Sind Sie auch schon in Versuchung gekommen, die genaue Summe an Mitteln und Arbeitsstunden für Ihre Clique zu berechnen?

Oh nein (lacht)! Die Arbeitsaufwände in der Fasnachts-Clique sind unkalkulierbar und unbezahlbar. Ein Verein funktioniert nur mit ehrenamtlicher Tätigkeit. Ich sage immer, wenn im Verein alles mit Geld abgegolten werden soll, dann ist dies der Untergang des Vereins. Ich persönlich gehe es heute in der Fasnachts-Clique ruhiger an und konzentriere mich aufs Üben der Märsche. Die Jungen sind am Ruder und das ist gut so.

 

Sie sind auch vom Finanzsektor zur Müller Group gekommen und haben am Hauptsitz in Münchenstein fünf Jahre als Projektbeauftragter Controlling gewirkt und wurden 2005 Finanzchef (CFO) der Müller Group. Was fasziniert Sie an Zahlen?

Schlussendlich widerspiegelt sich das gesamte Geschäftsleben in den Zahlen: der Erfolg, Misserfolg, Verbesserungen aufgrund umgesetzter Massnahmen (z. B. Lean) bis hin zum guten Arbeitsklima. Somit sind es nicht die Zahlen isoliert die mich interessieren, sondern das Business dahinter, wie funktioniert etwas, wie können wir darauf Einfluss nehmen, wie können wir es verbessern.

 

Vor einigen Tagen hat die Müller Group ihr Budget 2023 beschlossen. Warum macht ein Budget Sinn, wenn doch die Zukunft manchmal ganz anders daherkommt, als prognostiziert. Stichworte: Covid-19-Pandemie oder Ukraine-Krieg.

Ein Budget gibt uns einen gewissen Halt, bildet die Marschroute der nächsten Zeit ab und gibt uns Motivation, etwas zu erreichen. Das Budget ist eine Geschichte mit den entsprechenden Zahlen. Ändert sich die Geschichte müssen wir wissen, welche Hebel anzusetzen sind, um die Zahlen entsprechend in Einklang mit der Geschichte zu bringen.

 

Wir möchten in diesem Interview drei aktuelle Müller-Themen beleuchten: die Digitalisierung der Müller Group, die neue Nachhaltigkeitsstrategie, die am Entstehen ist und das Joint Venture in Indien.

 

Beginnen wir mit der Digitalisierung. Wo sehen Sie aktuell die grösste Chance resp. Herausforderung?

Die Sicherheit der Systeme und der Schutz der Daten ist ein Dauerthema. Im Bereich Cyber-Security laufen viele Massnahmen im Hintergrund. Unsere IT überwacht die Systeme permanent und sensibilisiert die Mitarbeitenden, vorsichtig im Umgang mit potenziellen Risiken, wie beispielsweise dem Öffnen von E-Mails von unbekannten Absendern, zu sein.

 

Parallel dazu haben Sie die Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie angestossen.

Das ist richtig. In den vier Müller-Unternehmen sind überall Bedürfnisse an Soft- und Hardware aufgepoppt. Das war dann für mich im 2021 der Zeitpunkt, die Bedürfnisse systematisch erheben zu wollen. In einer Workshop-Reihe haben 70 Mitarbeitende ihre Bedürfnisse eingebracht und verdichtet. Dieser Bottom-Up-Ansatz war wichtig, um eine Auslegeordnung zu erhalten, die anschliessend bewertet und priorisiert werden konnte. Wir verfolgen mit der entstehenden Digitalisierungsstrategie zwei Ziele: Erstens möchten wir unsere Prozesse mit weniger Papier führen und zweitens möchten wir unsere Prozesse beschleunigen.

 

Wo steht die neue Digitalisierungsstrategie aktuell?

Die neu konstituierte Müller Processing, die aus drei Müller-Organisationen formiert wurde, hat in dieser Phase des Digitalisierungsprojektes einen präsenten, starken Part übernommen, indem sie ihre ERP- und CAD-Prozesslandschaft effizient angepasst hat. Aufgrund der Umstrukturierung im Geschäftsbereich Processing, hat es Sinn gemacht, dass Müller Processing Priorität in der Umsetzung erhalten hat. Im 2023 geht es auch bei den anderen Müller-Unternehmen punkto Digitalisierung weiter. Ich appelliere jedoch, dass wir Geduld mitbringen, um in unserer vernetzten Welt IT-Lösungen zu etablieren, die sich gut in unsere bestehende Struktur einbetten lassen und die sauber und fehlerfrei im Gesamtkontext der IT-Prozesslandschaft laufen. Zudem müssen wir auf unsere personellen Ressourcen achten. Wir haben nur begrenzte Kapazität an Manpower. Schlussendlich müssen wir das Digitalisierungsprojekt neben dem Tagesgeschäft stemmen. Deshalb brauchen Neuimplementierungen ihre Zeit.
 

Der Begriff «Nachhaltigkeit» ist zu einem viel eingesetzten Modewort verkommen. Was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit im Unternehmenskontext?

Für mich steht im Zentrum, sorgsam mit Ressourcen umzugehen. Das bedeutet zum einen, dass wir technische Entwicklungen beobachten und wenn sie für uns Sinn machen, zu implementieren, wenn dadurch Ressourcen geschont werden können. Und zum andern geht es darum, unseren Verbrauch zu mindern. Alles aber in einem vernünftigen Kosten-/Nutzen-Verhältnis. Daher gehen wir Nachhaltigkeit seit jeher bei uns pragmatisch an.

Zum nachhaltigen Arbeiten gehört auch der Faktor Mensch – also unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese sind wertschätzend in die Geschäftsprozesse einzubinden. Sie sind unser wichtigstes Gut und sie sollen in einem gesunden Unternehmen arbeiten, an attraktiven Arbeitsplätzen in einem guten Arbeitsklima, das auch Platz hat, zwischendurch Privates auszutauschen.

 

Wie hat es das Thema auf die Agenda des CEOs der Müller Group geschafft?

In der Müller Group wird bereits seit Jahrzehnten nachhaltig gearbeitet. Dies zeigt sich in den individuellen Massnahmen, die unsere Müller-Unternehmen an ihren Standorten konsequent umsetzen. Als Beispiele kann ich hier die Verwendung der Prozessabwärme zu Heizzwecken nennen, oder das konsequente Umrüsten der Beleuchtung auf LED-Technik, oder Wärmedämmungen alter Gebäude oder getrenntes Recyceln von Betriebs- und Produktionsabfällen. Den ganzen Katalog der Massnahmen finden interessierte Personen auf www.mueller-group.com/nachhaltigkeit.

 

Und doch ist die Müller Group nun daran, eine überdachende Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln.

Die Idee dazu entstand an einer der letzten Retraiten des Verwaltungsrates. Da haben wir erneut gespürt, dass es den Aktionärinnen und Aktionären, also der Familie Müller, ein grosses Anliegen ist, dass sich die Müller Group systematisch mit dem Thema auseinandersetzt und mit einer Nachhaltigkeitsstrategie den Müller-Unternehmen vorgibt, wo wir in Zukunft Akzente setzen möchten. Dass diese Akzente je nach Müller-Unternehmen unterschiedlich gesetzt werden können, ergibt sich aus den unterschiedlichen Ausgangslagen der Firmen. Der Familie Müller ist es wichtig, dass wir in der Müller Group nachhaltig arbeiten – in jeder Beziehung «ein gesundes Unternehmen» sind und bleiben. Sie sind sich bewusst, dass dies auch Investitionen nach sich ziehen wird.

Dann gibt es auch äussere Einflüsse, die uns motivieren, nachhaltig zu wirtschaften. Zum einen sind dies Kundenbedürfnisse, die immer häufiger an uns herangetragen werden und die fordern, dass wir Ressourcen reduzieren. Zum anderen gibt es auch behördliche Vorgaben und Programme, wie die Reduktion von CO2.

 

Und wie gehen Sie bei der Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie konkret vor?

Wir haben anfangs November 2022 ein Kick-Off-Meeting mit einem externen Berater durchgeführt und Themen, die Patrick Müller (als Vertreter der Familie), den vier Managing Directors, dem CFO und mir wichtig erscheinen, zusammengetragen und bewertet. So haben sich drei gleichbedeutende Themen herauskristallisiert, die wir weiterverfolgen möchten. Die Roadmap besteht aus drei Säulen «CO2-Nettonull», «Kreislaufwirtschaft» und «Mitarbeitergesundheit».

 

Können Sie zu den drei Säulen jeweils kurze Stichworte geben?

  • CO2-Nettonull. Hier haben wir die Herausforderung, dass wir in unseren Betrieben vergleichsweise wenig CO2 produzieren. Der hohe CO2-Anteil, der unseren Unternehmen angelastet wird, kommt von der Rohstoffherstellung. Stahl zu produzieren ist derzeit noch energieintensiv. Aber auch bei den Produzenten kommt Bewegung ins Spiel. Neue Technologien sollen mittelfristig den CO2-Ausstoss bei der Herstellung von Stahl stark reduzieren.
     
  • Kreislaufwirtschaft. Hier geht es nicht nur um Recycling. Sondern vielmehr um Ressourceneffizienz und die intelligente Nutzung unserer Ressourcen. Intelligent heisst dabei, unsere Produkte weiterzudenken, sodass sie länger genutzt, wiederverwendet, repariert und in ihre Einzelteile zerlegt werden können. Diese Aufgabenstellung fasziniert mich, da wir hier neue Wege gehen müssen und dafür auch mal «um die Ecke» denken müssen.
     
  • Mitarbeitergesundheit. Hier möchten wir uns – als bereits guter und sozialer Arbeitgeber – punktuell nochmals verbessern. Mitarbeitende sollen sich bei uns wohl fühlen. Das bedingt neben attraktiven, sicheren und sauberen Arbeitsplätze auch Massnahmen, die auf die Mitarbeitermotivation einzahlen und die physische und psychische Gesundheit der Menschen im Betrieb fördert.

 

Über diese drei Säulen legen wir unseren übergeordneten Anspruch, ein «gesundes Unternehmen» zu sein und zu bleiben.

 

Dann kommen wir noch zum Joint Venture in Indien. Lassen Sie uns da teilhaben an diesem spannenden Auslandsengagement der Müller Group.

Das ist in der Tat spannend, nur schon aus kultureller Sicht: Die Zusammenarbeit mit den indischen Partner läuft sehr gut, trotz unterschiedlicher Herkunft und kultureller Prägung. Indien ist ein Land mit Potenzial für unsere Industrieverpackungen. So haben wir unseren Betrieb MüllerUnifab im Staat Gujarat aufgebaut, in unmittelbarer Nähe zur dort angesiedelten Chemie.

Der Know-how-Transfer von Münchenstein Richtung Indien ist weit fortgeschritten. Durch die Covid-19-Pandemie hat es zwischenzeitlich Lieferengpässe bei Maschinen gegeben. Aber aktuell sind wir gut auf Kurs.

 

Sie sind der führende Kopf hinter dem Joint Venture. Wie hat Sie das Engagement persönlich weitergebracht?

Die vielen Eindrücke von Land, Leuten und Kultur sind für mich sehr bereichernd. Auch das Improvisationsvermögen, die pragmatischen, mitunter einfachen Lösungen der indischen Kollegen, imponieren mir immer wieder, wenn es darum geht, zeitnah eine Herausforderung zu meistern.

Durch das Indienprojekt bin ich technisch tief ins Produktionsverfahren von unseren Industrieverpackungen eingetaucht. Ich habe mir ein technisches Wissen angeeignet – und das hat mir grossen Spass bereitet – sodass ich mittlerweile an technisch gelagerten Fachgesprächen bis ins Detail mitdiskutieren kann. In der Fassherstellung kann mir keiner mehr etwas vormachen (lacht).

 

Warum finden Sie, passt MüllerUnifab gut zur Müller Group?

Weil es ein Joint Venture zweier Familien ist, der Familien Saraiya und Müller. Im Kern verfolgen diese die gleichen Werte und Ziele. Und dann ist es so, dass wir unseren Kunden, die auch in Indien Produktionsstätten errichtet haben, durch die nahe indische Produktion Fässer in annähernd Schweizer Qualität liefern können. Das ist eine gute Ergänzung und für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation. Die Konzernleitung und die Familie Müller sehen dies genauso: Das Joint Venture ist eine Ergänzung im Konzern und keine Konkurrenz zu Münchenstein. Hier sind wir gross geworden und hier werden wir auch bleiben und den Hauptsitz halten.

 

Mit «gross geworden» haben Sie mir das Abschlussstichwort geliefert. Müller Packaging hat im 2022 sein 125-jähriges Bestehen und 100 Jahre Standort Münchenstein gefeiert. Wie bleibt Ihnen das «Jubeljahr», wie Sie es gerne genannt haben, in Erinnerung?

Die vielen lachenden Gesichter und tollen Emotionen, die ich am offiziellen Jubelabend, Tag der offenen Türe und dem Mitarbeiteranlass erleben durfte, haben sich ganz fest bei mir eingeprägt. Ganz speziell hat es mich beeindruckt, mit welchem Stolz die Mitarbeitenden am Tag der offenen Türe ihre Arbeitsplätze der Öffentlichkeit und Familie gezeigt haben. Ohne engagierte und motivierte Mitarbeitende wäre dies nicht möglich gewesen.

 

Herr Reinau, vielen Dank für das letzte Interview im Rahmen der Jubiläumsberichtserstattung.