Der Geschichte auf der Spur

 

Ernst «Ruedi» Müller

 

1925-2011

 

Dritte Müller-Generation

 

 

Die Müller-Qualität auf ein neues Level geführt

 

Ruedi Müller hat die Ernst Müller AG Blechwarenfabrik durch technischen Fortschritt, Prozessoptimierungen und Neuentwicklungen im Fassbereich auf einen neuen Qualitätsstandard gebracht. Inspiration und konkrete Tipps hat er sich in einer Studienreise 1955 in den USA geholt. Eine Reise, die in der Unternehmensgeschichte für den nachhaltigen Erfolg des Familienbetriebes steht. Den Bau des Zweitstandortes Reiden sieht er als Höhepunkt seines beruflichen Wirkens.

Ernst Rudolf Müller wird 1925 geboren, als drittes von vier Kindern von Ernst und Lydia Müller-Schärer. Damit alle wissen, von wem die Rede ist, rückt sein zweiter Vorname in den Vordergrund. In der Familie und von seinen Freunden wird er deshalb stets «Ruedi» gerufen.

Schon in der Schulzeit nimmt ihn sein Vater mit ins Geschäft, was ihm sichtlich Freude bereitet. Nachdem er die Primar- und Sekundarschule in Arlesheim besucht hat, zieht er für ein Jahr nach Lausanne. Wieder zurück, absolviert er eine Lehre als Mechaniker und Werkzeugmacher in der Firma Schweizer in Basel. Zwischendurch schnuppert Ruedi immer wieder in der «Müllerei», schaut sich die Produktionsabläufe an und hilft in allen Abteilungen aus, wenn Not am Mann ist. Während der Rekrutenschule im 1944, erreicht ihn die Hiobsbotschaft: sein Vater ist gestorben.

Ein Jahr später tritt er als 20-Jähriger in die Ernst Müller AG Blechwarenfabrik ein. Zu dieser Zeit führt Onkel Karl mit dem Prokuristen Paul Hof die Geschäfte in Münchenstein. Ruedi arbeitet in verschiedenen Funktionen in der Produktion, Konstruktion sowie in der Werkstatt und lernt das Geschäft von der Pike auf. In Winterthur besucht er parallel die Meisterschule und Kurse im Technikum. Dort füllt er seinen Rucksack auch mit Führungsinstrumenten.

Als auch sein Onkel Karl Müller 1950 früh stirbt, kommt sein jüngerer Bruder Hans in den Familienbetrieb. Die beiden sind aber noch zu jung und zu unerfahren, dass sie den Betrieb leiten könnten. Mit Paul Hof haben sie einen verlässlichen und versierten «Coach», der sie nach und nach an die Führungsaufgaben heranführt.

1950 noch zu jung für die Geschäftsführung, ist er nicht zu jung, um zu heiraten. Er hält um die Hand von Elsa «Elsy» Peter an – und wird erhört. 1951 kommt Sohn Heinz auf die Welt, ein Jahr später Sohn Walter und im 1957 Sohn Dieter. In Arlesheim baut Ruedi für seine junge Familie ein eigenes Haus, unweit vom seinem Elternhaus.

 

Ruedi Müller (oben Mitte) mit Mitarbeitern – Anfang der 50er-Jahre.

 

Sukzessive nimmt er mit seinem jüngeren Bruder Hans nun die Zügel der Ernst Müller AG Blechwarenfabrik in die Hand. Ein stetiger Ausbau des Kernbetriebes, auch Beteiligungen oder Übernahmen folgen, was im Monatsfenster Juli detailliert betrachtet wird.

1955 geht Ruedi Müller für zweieinhalb Monate in die USA. Eine Reise, die ihn geprägt hat und die vor allem für die Zukunft des Familienbetriebes und dessen Leistungsfähigkeit enorm wichtig wird.

Amerikareisen sind in den 1950er-Jahren noch ein grosses Abenteuer. Äusserst gewissenhaft bereitet er sich deshalb auf den Studienaufenthalt vor. Die Reise dauert vom 18. Juli bis. 30. September 1955. Zu den besuchten Unternehmen gehören Produzenten von Blechfässern, Hobbocks, Containern und Fibre Drums. Falls Lesern das Wort «Hobbocks» nicht geläufig ist: Ein Hobbock ist ein fass- oder kanisterartiger Versandbehälter. Darin wird beispielsweise in der Chemieindustrie pulvriges Schüttgut abgefüllt, in der Regel im Umfang einiger Kilogramm pro Behälter.

Auch Stahl- und Autowerke stehen auf Ruedi Müllers Programm. Und auch ein Nietmaschinen- und ein Boiler-Hersteller finden sich darunter. Zu guter Letzt besucht er auch Kunden, wie beispielsweise die Sandoz. Von jedem der rund 30 Firmenbesuche erstellt er ein Protokoll.

Detailliert und umfangreich analysiert und rapportiert er jeden Tag seine Eindrücke. In 16 Punkten formuliert er in einem Schlussbericht für die Ernst Müller AG Blechwarenfabrik Anregungen und Verbesserungen der verschiedenen Produktionsphasen, vom Stanzprozess über das Runden der Bleche, das Abdichten der Mäntel, das Lackieren der Fässer bis zum Verlad in den Autos. Er kommt mit vielen Ideen zurück in die Schweiz und schmiedet Pläne, wie die erkannten Potenziale Schritt für Schritt implementiert werden können.

Der inspirierenden USA-Reise lässt Ruedi Müller noch zwei weitere folgen. Eine, mit dem Verband Schweizerischer Blechemballagen-Fabrikanten, folgt 1959 und eine weitere im 1969.

Zwischen den USA-Reisen zwei und drei kauft Ruedi 1964 am Sempachersee ein Grundstück und baut dort sein Ferienhaus «Seeforelle». Er liebt die Angeltechnik Felchenfischen. Sie hat etwas Meditatives. Bis ein Fisch anbeisst, kann Zeit vergehen. Zeit, in dem Ruedi mit anderen Fischern spricht. So wie anfangs der 1970er-Jahre. Er erzählt seinem Fischerkollegen aus Reiden, dass die Produktionskapazitäten der Ernst Müller AG Blechwarenfabrik in Münchenstein nicht mehr ausreichen und er einen Zweitstandort in der Schweiz sucht. Der Rest ist Geschichte. 1972 beschliesst der Verwaltungsrat, im luzernischen Reiden ein 50‘000 Quadratmeter grosses Grundstück zu kaufen, 1974 findet die Grundsteinlegung statt, 1978 rollen die ersten Fässer vom Band. Nachdem der Start in Reiden aus konjunkturellen Gründen schwierig war – was sich auf die Bauzeit auswirkt – hat sich der Erfolg des Zweitstandortes rasch eingestellt.

 

Bautafel 1974 in Reiden

 

Als den Höhepunkt seines beruflichen Lebens bezeichnet Ruedi Müller die Gründung der Fassfabrik in Reiden. «Das war neben meinen drei leiblichen eigentlich mein viertes Kind», sagte er einmal schmunzelnd.

Ausserhalb des Familienbetriebes engagiert sich Ruedi Müller im Vorstand des Baselbieter Unternehmerverbandes und im Rotary Club Bottmingen-Birseck.

Im Alter von 60 Jahren zieht sich Rudolf Müller aus der operativen Tätigkeit zurück. Drei Jahre später gibt er auch das Verwaltungsratspräsidium ab, nachdem er dieses Gremium während 37 Jahren präsidiert hat. Nach seinem endgültigen Ausscheiden aus der Firma holt er mit seiner Frau Elsy Versäumtes nach und unternimmt vielfältige Reisen rund um die Welt und geniesst das Wochenendhaus am Sempachersee.

Am 13. März 2011 stirbt Ruedi Müller im 86. Lebensjahr.