Der Geschichte auf der Spur

 

Rudolf Müller

 

1856-1892


Erste Müller-Generation

 

Elisabeth Müller-Thommen

 

1860-1945


Erste Müller-Generation

 

 

Die historisch grosse Bedeutung von Elisabeth Müller-Thommen

 

Elisabeth Müller-Thommen erweist sich anfangs des 20. Jahrhunderts als starke Frau in turbulenten Zeiten. Nach dem Freitod ihres Mannes trägt sie die Verantwortung für die Erziehung der drei Söhne und die Weiterführung des verschuldeten Betriebes ganz alleine. Hätte die tüchtige, umsichtig agierende und kostenbewusst handelnde Geschäftsfrau keinen Erfolg gehabt, gäbe es heuer für Müller Packaging nichts zu feiern.

Das Fundament der Müller AG Verpackungen wird im Jahre 1888 gelegt, als das Ehepaar Rudolf und Elisabeth Müller-Thommen von Gelterkinden nach Kleinhüningen in Basel ziehen. Hier bietet ihnen der Spenglermeister Gretler aus Zürich eine Werkstatt samt Wohnhaus und Schweinestall zum Kauf an. Der Kaufpreis beträgt 30‘000 Franken. Die fünfköpfige Familie mit den drei kleinen Söhnen Rudolf, Ernst und Karl hat jedoch kaum Erspartes. Glücklicherweise kommen ihnen ein paar grosszügige Verwandte und Bekannte zu Hilfe und ermöglichen ihnen am 14. Dezember 1888 den Kauf.

Vor allem ist es der Basler Mathematikprofessor Eduard Hagenbach-Bischoff, dessen Berechnungsschema bei der Feinverteilung der Sitze im Nationalrat heute noch angewendet wird. Er stellt dem jungen Ehepaar 18‘000 Franken aus dem Vermögen seines Mündels Adolf Hagenbach für die erste Hypothek zur Verfügung. Die restlichen 12‘000 Franken für die zweite Hypothek kommen von der Handwerkerbank Basel, wofür jedoch drei Bürgen notwendig sind:

  • Onkel Rudolf Müller-Erder, Sägenfeiler, Trillengässlein 2/4 (später seine Witwe Balbine Müller-Erder, genannt Tante Miller)
  • Jacob Buser, Bürgerkassierer in Zunzgen (später der angrenzende Nachbar Leopold Lauer-Sigg, Zimmermeister) und
  • Carl Wüthrich-Buser, Fergger, Trillengässlein 2/4.

 

Ein Fergger hatte früher komplexere Aufgaben als ein heutiger «Spediteur» oder «Logistiker». Er arbeitete im Auftrag von Textilhändlern als Mittelsmann zu den Heimarbeitern oder Handwerkern. Er kontrollierte deren Arbeit, bezahlte ihre Löhne und war verantwortlich für den Nachschub von Rohstoffen sowie das Einsammeln der Fertigprodukte, zum Beispiel der Seidenbändel.

 

Rudolf Müller kommt zu einem schönen Auftrag: er plant und erstellt für die Dorfkirche Kleinhüningen das Kupferdach. Dennoch verdüstert sich die Situation der jungen Familie, weil Vater Rudolf in eine schwere Depression fällt und plötzlich am 5. Mai 1892 den Freitod wählt. Es sind finanzielle Probleme, aus denen der junge Spenglermeister keinen Ausweg mehr sieht.

Elisabeth wird nicht nur mit 32 Jahren Witwe, sondern bleibt auch alleinerziehende Mutter von den drei 8-, 7- und 5-jährigen Knaben. Energisch und zielgerichtet übernimmt sie Werkstatt und Laden. Hier bietet sie eine grosse Auswahl an Haushaltgeräten wie zum Beispiel Sturmlaternen, Kaffeemühlen, Bettflaschen, Besteck und Geschirr, Glätteisen, Mausfallen und sogar Botanisierbüchsen an. Daneben liegt in Werkstatt und Keller ein ansehnlicher Vorrat an Eisenwaren für den Einsatz bei Reparaturaufträgen und Neubauten bereit.

Die Spenglerei stellt 1897 den ersten Mitarbeiter - Herr Neuenschwander - ein und wird nach damaliger Definition zur Firma. Damit wird das Jahr 1897 zum Gründungsjahr der heutigen Müller AG Verpackungen.

1901 dann ein weiterer Schicksalsschlag: Elisabeths ältester Sohn Rudolf jun., der als Geschäftsführer vorgesehen war, stirbt unerwartet nach kurzer, schwerer Leidenszeit an einer Hirnhautentzündung. Darauf entschliesst sich der zweitälteste Sohn Ernst Müller, die begonnene Lehre als Fergger bei Senn und Co in Basel aufzugeben und in die Fussstapfen seines verstorbenen Bruders zu treten.

Nur durch grosse Sparsamkeit und klugen Einsatz der vorhandenen Mittel gelingt Elisabeth Müller-Thommen die Sanierung. Wesentlich dabei ist die kompetente Unterstützung durch ihren Sohn Ernst, der mit der Serienproduktion von Weissblechbüchsen für die schnell wachsende Basler Chemie in den 1910er-Jahren eine echte Marktlücke entdeckt.

Zeitweise steht Elisabeth selbst an der Werkbank mit dem Lötkolben in der Hand. Sie führt das Geschäft unter dem Namen «Witwe E. Müller Basel, Bauspenglerei und Installationen» während 30 Jahren erfolgreich und hat in allen wichtigen Fragen das letzte Wort – bis zum Verkauf der Firma an ihren Sohn Ernst im Jahr 1920. Dieser hat durch seine begonnene Lehre als Fergger und nachher als Geschäftsführer der Spenglerei eine günstige Voraussetzung für einen vielversprechenden Start als Gebindelieferant für die chemische Industrie in Basel.

Elisabeth Müller-Thommen stirbt am 21. Oktober 1945 in Liestal.