Der Geschichte auf der Spur

 

Marco Fischer

 

Jahrgang 1940

 

1976 - 1985     Leiter Technik Müller AG Verpackungen
1985 - 2005     CEO der Müller Group
2006                 Pensionierung

 

 

 

Zukunft braucht Herkunft

 

Viele Errungenschaften der Müller Group werden in den 1980er- und 1990er-Jahren initiiert und haben heute noch Bestand. Zum Beispiel die Formierung der Müller-Unternehmen in der MVM Pack-Holding 1998. Sie ist eine der Vermächtnisse von Marco Fischer, der während 31 Jahren die Geschicke der Müller-Unternehmen mitverantwortet hat. Umsichtig, erfolgreich, beharrlich und mit einem starken Tatendrang.

 

 

Marco Fischer (Dipl. Ing., MBA) hat für Müller gelebt, hat sich verwirklicht und dabei das Unternehmen vorangebracht. Er ist 1976 als Leiter Technik in die Müller AG Verpackungen eingetreten. Mehr dazu später.

1985 tritt Marco Fischer die Nachfolge von Ruedi Müller als Firmenchef an. 1989 wird er zum Delegierten des Verwaltungsrates der operativen Unternehmen und zum Direktor ernannt. Zu seinen ersten Erfolgen zählen diese drei Meilensteine:

  • 1989 erlangen die Müller-Unternehmen als eine der ersten Industriefirmen der Schweiz das international anerkannte Qualitätszertifikat nach ISO 9001.
  • 1991 löst Marco Fischer Maschinen und Produktegruppen der ehemaligen regionalen Konkurrenten Stebler-Saner und Gempp & Unold heraus und integriert diese in die Müller AG Verpackungen. Von BMW Vogel wird im gleichen Jahr der Fabrikationsbereich Feinblechgebinde übernommen.
  • 1996 übernimmt Müller das angrenzende Areal der in Liquidation gefallenen Imag AG. In der Folge kommt die Leichtfass AG von Muttenz nach Münchenstein.

Bereits in der Lehre als Feinmechaniker fällt eine seiner Charaktereigenschaft auf: Marco Fischer hat seine eigene Meinung, mit unbeeinflussbarem festen Willen, tut dies auch kund, eckt mitunter an – was ihn aber nicht beeindruckt, denn es geht ihm um die Sache, um die Lösung, um den Fortschritt. Er ist ein Zeitgenosse, der den Fragen der Zeit auf den Grund geht, der vielseitig interessiert ist und gerne diskutiert. So sind in seiner 31-jährigen Wirkungszeit bei Müller auch die Mitarbeitenden gefordert, wenn sie ihm neue Projekte, Produkte oder Ideen vorstellen. Auch hier sucht Marco Fischer die Diskussion, prüft Ideen auf ihre Tauglichkeit und stellt Fragen über Fragen. Der Erfolg gibt ihm recht. Nur wenige Unterfangen floppen – aber selbstverständlich gibt es auch diese. Dem Verwaltungsrat hat er in diesen Fällen gesagt, welche Fehler gemacht worden sind und hat gleich das Versprechen nachgeschoben, «dass wir es das nächste Mal besser machen».

 

«In der Müller Group haben wir schon früh eine Kultur geschaffen, die es ermöglicht, sich einzubringen und seine Ideen offen zu kommunizieren». Diese Basis hat stark zum Innovationsschub in den 1980er- und 1990er-Jahre geführt.

 

Die Kategorie der «schwierigen Mitarbeitenden» hat es ihm angetan. Andere Denk- und Vorgehensweisen gegenüber ist er nicht nur offen, sie interessieren ihn zutiefst. Sich in dieses Andere einzudenken erachtet er als Unternehmer wichtig und notwendig, um eine Organisation voranzubringen und um neue Chancen zu erkennen. «In der Müller Group haben wir schon früh eine Kultur geschaffen, die es ermöglicht, sich einzubringen und seine Ideen offen zu kommunizieren». Diese Basis hat stark zum Innovationsschub in den 1980er- und 1990er-Jahre geführt, in welcher beispielsweise die Müller GmbH in Badisch-Rheinfelden ihre weltweite Reputation für System- und Komponententechnik im Rostfreibereich erlangt.

 

Die Jubiläums-Generalversammlung zum 100. Geburtstag der Firma findet am 25. Juni 1997 statt. In Münchenstein wird ein Tag der «offenen Tür» durchgeführt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten einen Jubiläumsbonus. Im Kultur- und Sportzentrum (Kuspo) Münchenstein wird «The Jubilee Musical» aufgeführt. In einem Zirkuszelt wird mit allen Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern gross gefeiert.

 

Der Um- und Ausbau der Firma zur heutigen Müller Group mit Holdingstruktur wird in der Amtszeit von Marco Fischer vollzogen. Er bildet klare Kompetenz- und Produktionsschwerpunkte: Ende 1998 entsteht die MVM Pack-Holding AG mit den fünf Unternehmen Müller AG Verpackungen in Münchenstein und Reiden, Müller GmbH in Rheinfelden (D), Leichtfass AG in Münchenstein, Plastomatic AG in Muttenz und Fördertechnik AG in Münchenstein. Diese Holdingstruktur besteht noch heute.

«Totale Kundenorientierung setzt nicht nur ausgeprägtes Qualitätsdenken und grösste Flexibilität voraus, sie fördert auch jene Innovationskraft, mit der Müller-Produkte der Konkurrenz immer eine Nasenlänge voraus bleiben» bewertet 1998 Paul Nyffeler, Präsident der Geschäftsleitung der Basellandschaftlichen Kantonalbank in seiner Laudatio zum Gewinn des Unternehmerpreises, die Zukunftsfähigkeit der Müller Group.

Die erwähnte Kundenorientierung lebt Marco Fischer persönlich vor:

  • Bei den Jahresbesuchen der wichtigsten Kunden ist er stets mit dabei.
  • Wenn grössere Aufträge angefragt werden, zeigt er Präsenz und damit Wertschätzung gegenüber den Kunden.
  • Durch sein Handelskammer-Netzwerk und damit zur Nähe der Basler Chemie- und Pharmaunternehmen öffnen sich Türen in den Ländergesellschaften der Basler Multis.

Zum Schluss aufgespart haben wir die herrliche Geschichte, wie Marco Fischer 1976 überhaupt zur Müller AG Verpackungen kam. Nach einem Engagement bei Landis & Gyr wechselt er zur Aescher Firma Guhl & Scheibler und verantwortet dort während zwei Jahren das Neubauprojekt auf der grünen Wiese. Eine Leistung, die sich regional rumgesprochen hat, wie die weitere Geschichte sobald erklären wird.

Marco Fischer erinnert sich gut an den Tag in seinem dritten Jahr bei Guhl & Scheibler, als sein damaliger Chef während einer Besprechung einmal mehr laut wurde und in seiner cholerischen Art eine Sachdiskussion verunmöglichte. Nicht zum ersten Mal. Aber dieses Mal mit Konsequenzen: Marco Fischer hat sich aus der Unterredung verabschiedet, ist in sein Büro gegangen und hat seine Kündigung geschrieben. Dieses aus Arbeitgebersicht dreiste Vorgehen hat in Arlesheim, wo der Guhl & Scheibler-Chef gewohnt hat, rasch die Runde gemacht. So hat auch Ruedi Müller davon erfahren, der sich dann umgehend mit Marco Fischer in Kontakt gesetzt hat. «Ich suche einen Leiter Technik. Haben Sie Interesse?» so die Frage. In einem informellen Treffen haben sich die beiden anschliessend ausgetauscht, danach hatte Marco Fischer den Job als Leiter Technik inne – quasi unbesehen und ohne weitere Lebenslaufprüfungen. Der Leistungsausweis des Neubaus hat Ruedi Müller beeindruckt und auch, dass ein 35-jähriger sich erlaubt hat, dem Ruedi bekannten Guhl & Scheibler-Chef die Stirn zu bieten sowie das offen geführte Erstgespräch.

Ende 2005 tritt Marco Fischer als VR-Präsident und CEO der operativen Müller-Gesellschaften zurück. Im 2006 geht er in Pension. Nach einunddreissig Jahren Betriebszugehörigkeit. Und als erster Steuermann, der nicht der Müller-Familie angehört. Für ihn war es «die Zeit meines Lebens, was mein berufliches Wirken betrifft», hört man ihn heute noch sagen … und er schiebt nach «und ich würde alles wieder so machen, weil ich bin, wie ich bin (lacht)». Der Gruppenumsatz steigt in Marco Fischers Zeit um das Sechsfache..

 

«Bei Müller hatte ich die Zeit meines Lebens, was mein berufliches Wirken betrifft - und ich würde alles wieder so machen, weil ich bin, wie ich bin.»

 

Der vitale Unternehmer hat sich auch als Präsident im ehemaligen Verband Basellandschaftlicher Unternehmen (VBU) engagiert, hatte dadurch Einsitz im Vorstand der Basler Handelskammer und war Initiant der Idee, dass der VBU mit der Basler Handelskammer fusioniert, was 1997 zur Handelskammer beider Basel geführt hat. «Unternehmer sollten vermehrt stärkeren Einfluss auf das politische Geschehen nehmen, um die Rahmenbedingungen mitgestalten zu können», ist seine Meinung, die er mit Elan regelmässig an Anlässen und den regionalen Medien kundtut.

Heute geniesst Marco Fischer die Zeit mit seiner Frau, mit der er beinahe 60 Jahre zusammen ist und die ihm sein ganzes Berufsleben durch den Rücken freigehalten hat, was er sehr würdigt. Mit ihren Häusern samt Umschwung in Hochwald und in Italien sind die beiden fein ausgelastet. In den Gärten beschäftigt sich das naturverbundene Ehepaar mit biologischem und integriertem Landbau. Aktuell 81-jährig, wollte er von sich aus, aus dem letzten seiner Verwaltungsratsmandate aussteigen. Den Verantwortlichen bei Rauscher & Stöcklin in Sissach ist es aber jüngst gelungen, ihn nochmals für eine Amtsperiode zu gewinnen. Ob es die letzte sein wird? Das weiss man nie, bei einem Marco Fischer.